Was dürfen wir Fotografen und was dürfen wir nicht? Was sollen wir tun und was sollen wir lassen? Welche Grenzen sind gesetzt und welche Freiheiten sind uns gegeben? Fragen, die sicher jeden betreffen und sowohl auf dem Feld als auch später am PC bei der Bearbeitung der Bilder und beim Veröffentlichen aufkommen.
Was bedeutet Ethik in der Naturfotografie?
Ich möchte bei den Fragestellungen auf drei für mich ganz wichtige Punkte eingehen und etwas Bewusstsein schaffen. Letztlich solltest Du für Dich entscheiden, wie Du mit den Themen umgehst. Deine Bilder, Deine Bearbeitung, Deine Inhalte. Aber als Naturfotograf haben wir ein paar Regeln einzuhalten und sollten auch als gutes Beispiel vorangehen. Ein jeder trägt eine gewaltige Verantwortung für die Natur, wir noch ein bisschen mehr.
Eingriffe in die Natur als Fotograf
Physische Eingriffe – ein Foto darf kein Leid verursachen!
Alles, was wir als Naturfotografen draußen machen, kann dort auch einen Schaden anrichten. Naturfotografen sind aber immer (einige schwarze Schafe mal ausgenommen) darum bedacht, unseren Abdruck in der Natur kleinstmöglich zu hinterlassen. Noch besser: wir räumen auch auf. Hinterlassenschaften anderer Menschen räumen wir weg. Naturschäden melden wir den Behörden und den Pächtern. Aufklären wollen wir auch, selbst wenn es oft und immer wieder auf taube Ohren stößt. Ungeschriebene Pflichten der Naturfotografen, wie ich es finde.
Abseits der Wege – dort wo es erlaubt ist – sitze ich oft auf einem kleinen Hocker im Tarnanzug und warte auf das Motiv. Vielleicht auch mal im Tarnzelt. Das kurze Stück vom Weg zum Versteck hinterlässt tatsächlich einige Spuren. Ich muss vermutlich einen Zweig beiseite biegen und bestimmt hinterlassen Tarnzelt oder Hocker Abdrücke im Boden. Dies sind sicherlich kleine Schäden, die in den seltensten Fällen irgendwelche Folgen haben und in einem gewissen Maße vertretbar sind. Und doch: bei jedem Schritt achte ich auf den Boden und trotzdem überlege ich mir jedes Mal: muss ich da sitzen oder reicht auch der Weg? Muss ich durch den Wald oder kann ich auch einen kleinen Umweg am Feldrand machen?
„Gut geht, wer ohne Spuren geht.“
Laozi, 6. Jahrhundert v. Chr.
Und inszenieren? Wo sind da die Grenzen? Tiere anlocken für das perfekte Foto? Tiere verfolgen und ihnen nachstellen? Klar, im Garten habe ich eine Futterstelle, die ich natürlich auch für die Fotografie nutze. Aber draußen in der Natur Tiere anzufüttern ist eine ganz andere Nummer. Es ist strikt verboten, selbst für Jäger. Das Nachstellen der Tiere erst recht. Und doch sieht man es immer wieder. Ein Haufen mit Äpfeln liegt auf dem Feld oder Salzlecksteine werden vor Kanzeln aufgestellt. Das kann sehr schlimme Folgen für die Tiere haben, denn sie gewöhnen sich immer mehr an den Menschen und daran, dass sie Futter bekommen und nicht suchen müssen.
Aber es gibt einen beliebten Spruch: „Wo kein Kläger, da kein Richter!“. Scheinbar findet dieser Satz in einigen Situationen Anwendung. Ich hinterfrage aber einfach mal: sollten als Erstes nicht wir selbst uns gegenüber der Kläger sein und unser Handeln im Kopf noch mal durchgehen?
Technische Eingriffe in das Bild – die Natur schöner machen, als sie ist?
Bildbearbeitung oder Fotoretusche – erlaubt ist, was gefällt. Ob es aber nötig ist, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Spätestens mit KI ist vieles möglich geworden. In meinen Augen viel zu viel. Mit einem Klick steht plötzlich ein Reh auf dem Feld. Durch einen einzigen Prompt ist der triste Himmel ausgetauscht und binnen Sekunden kommen Sonnenstrahlen, die vorher nicht da waren. Das Schlimme daran ist, dass KI immer besser wird und wir immer weniger den Unterschied zwischen dem echten Foto und einem KI-generierten Foto erkennen.


Grenzen der Bildbearbeitung muss jeder für sich finden und entscheiden. Meine sind klar definiert: ich korrigiere das, was ich durch die Technik verloren habe. Damit meine ich, dass ich alles, was ich auch wahrgenommen habe, wieder hole. Oftmals gehen Licht, Farben und Details technisch bedingt ein wenig verloren. Diese hole ich wieder zurück bei der Bearbeitung und beim Entrauschen wende ich auch gerne mal die KI-Entrauschfunktion von Lightroom an. Es war draußen in meinem Auge auch ohne Rauschen und das Licht war auch ein wenig wärmer. Dann bin ich fein damit. Auch ein Bild im Nachhinein zu beschneiden, damit die Positionierung des Motivs stimmiger ist oder etwas der verloren gegangenen Schärfe zurückzuholen, ist voll okay für mich. Das ist im Übrigen auch der Grund, warum ich meine Bilder am besten noch am gleichen Tag entwickle: ich brauche den Eindruck, den ich beim Fotografieren gemacht habe, zum Entwickeln des Bildes.
Aber den grauen Himmel gegen einen Sonnenuntergang austauschen oder weitere Elemente dem Bild hinzufügen? Hier hört es für mich auf. Das hat in meinen Augen nichts mehr mit Naturfotografie zu tun. Dann lieber Bild löschen und irgendwann neu fotografieren.


Ehrlichkeit mit dem Bild – zwischen Transparenz und Vorsicht
Das Bild ist im Kasten, die Bearbeitung abgeschlossen. Und nun? Viele veröffentlichen ihre Bilder in den sozialen Medien wie Instagram, Facebook oder TikTok. Dabei geht es leider mehr und mehr darum, Likes zu generieren und sich zu profilieren. Die Geschichte des Bildes geht verloren.
Natürlich poste ich auch Bilder bei Vero oder bei 500px. Den Anderen kehre ich aber mehr und mehr den Rücken zu. Mit deren Algorithmen und Richtlinien stimme ich mittlerweile nicht mehr überein.
Die Gratwanderung zwischen Transparenz und Vorsicht ist beim Veröffentlichen der Fotos ein für mich sehr wichtiges Thema. Wenn ich Bilder veröffentliche, nenne ich manchmal nicht alle Informationen. Das wirkt teilweise befremdlich und das Bild wird dann gegebenenfalls infrage gestellt. Beispiel Wolfssichtungen: ich habe schon Wölfe gesehen und auch zumindest versucht, mit dem Handy zu fotografieren. Veröffentlicht habe ich aber noch nichts. Nicht nur, weil die Bilder nichts geworden sind, sondern vor allem, weil dann große Diskussionen entstehen. Diskussionen sind zwar wichtig, wenn sie produktiv sind, aber das Gehetze im Netz hingegen nicht. Mein Standpunkt ist klar und es ist mein Standpunkt, den ich auch immer vertreten werde. Punkt.
Vorsichtig sollte man auch mit dem Veröffentlichen von Fotospots sein. Insbesondere bei seltenen Tierarten wie dem Wolf. Auch, wenn dadurch die Transparenz verloren geht. Sollte mir mal ein gutes Bild eines Wolfes oder eines anderen seltenen Tieres gelingen, werde ich zum Beispiel Metadaten des Fotos entfernen.
Wenn ihr ein besonderes Erlebnis festhalten und teilen wollt, überlegt Euch, was ihr davon Preis gebt und welche Folgen das haben könnte. Muss das Bild betitelt werden mit „Fuchswelpen im Kleingarten Berlin-Schönefeld“ oder reicht auch „Fuchswelpen am Bau“?

Zum Thema Ehrlichkeit mit dem Bild einfach nur ein Appell: wenn ein Bild schon per KI verändert wurde, soll dieses auch entsprechend markiert sein. Es ist grenzwertig zum Verteilen irreführender Informationen und wird auch von vielen bei sozialen Medien gemeldet (auch wenn Meta und Co. letztlich kaum was dagegen unternehmen).
Die Natur als Dein Partner
Naturfotografie ist ein Geben und Nehmen wie in einer gesunden Partnerschaft. Halte Dich an die Gesetze. Stelle Dir selbst Regeln auf, die Du ruhigen Gewissens vertreten kannst, und halte sie ein. Gehe achtsam mit der Natur um, lerne sie kennen und sie wird Dir zurückgeben. Du wirst viele Erlebnisse, tolle Begegnungen und schöne Bilder sammeln, wenn Du Dein Verhalten draußen bei jedem Schritt reflektierst.
Viel Spaß und Erfolg dabei.